Ärztliche Kunstfehler und Aufklärungspflichten

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Operation Tupfer

Rechtsanwalt Mag. Zotter über die Haftung für ärztliche Kunstfehler und wegen Verletzung von Aufklärungspflichten

Die Medien berichten laufend über (behauptete oder tatsächliche) ärztliche Fehler und über die daraus resultierenden Schäden der betroffenen Patienten.

 

Grundlagen für die Haftung des Arztes

Um die Frage, unter welchen Umständen Ärzte oder Krankenanstalten haften, besser beurteilen zu können, muss man wissen, dass es im Wesentlichen zwei Grundlagen gibt, die zu einer Haftung des Arztes (und somit zu Schadenersatzansprüchen der Patienten) führen:

Einerseits kann die Haftung aus einer Missachtung medizinischer Standards (also aus einem sogenannten „Kunstfehler“) resultieren, andererseits aber auch daraus, dass es der Arzt verabsäumt, die Patienten über mögliche Risiken der Behandlung aufzuklären, was dann zu einer Haftung des Arztes führt, wenn sich derartige Risiken in weiterer Folge auch tatsächlich verwirklichen.

 

Ärztlicher Fehler

Die Frage, ob ein „Kunstfehler“ vorliegt, kann regelmäßig nur durch Einholung eines medizinischen Gutachtens beurteilt werden; dabei geht es um die Frage, ob der Arzt im Zuge der Behandlung mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist und ob er dabei bestehende Handlungsanweisungen (etwa die von den medizinischen Gesellschaften veröffentlichten Leit- und Richtlinien) beachtet hat. Auch dann, wenn der Arzt in diesem Sinne „kunstgerecht“ gehandelt hat, kann es aber natürlich sein, dass im Zuge der Behandlung Komplikationen auftreten – von derartigen „typischen Risiken“ spricht man, wenn der Eintritt solcher unerwünschten Komplikationen auch bei Beachtung der medizinischen Sorgfalt nicht sicher vermieden werden kann.

 

Typische Risiken

Für den Eintritt solcher Komplikationen (also für die Verwirklichung typischer Risiken) haftet der Arzt nur dann, wenn er es verabsäumt hat, die Patientin oder den Patienten noch vor Beginn der Behandlung darüber aufzuklären, dass es (wenngleich mit regelmäßig sehr geringer Wahrscheinlichkeit) zum Eintritt derartiger Komplikationen kommen könnte. Die Haftung des Arztes resultiert in diesem Falle aus der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, der ja „Herr über seinen Körper“ ist und dem durch die Aufklärung die Entscheidung ermöglicht werden soll, ob er sich einer bestimmten medizinischen Behandlung unterziehen möchte oder ob er diese Behandlung im Hinblick auf die möglichen Risiken ablehnt.

 

Fallbeispiel

So etwa hat eine Ärztin bei einer Patientin, die unter Tränensäcken und faltiger Haut litt, an den betroffenen Stellen im Gesicht einen Hyaluronsäure-„Filler“ eingespritzt, wobei sie diese Behandlung „kunstgerecht“ durchgeführt hat. Leider hat sich eine Komplikation in der Form eingestellt, dass das eingespritzte Material verklumpt ist, sodass die dadurch entstandenen Knötchen, die man aufgrund der dünnen Haut der Patientin sehr deutlich wahrnehmen konnte, mehrfach operativ entfernt werden mussten.

Über die (zwar seltene, aber dennoch bekannte) Möglichkeit einer derartigen unerwünschten Entwicklung hatte die Ärztin die Patientin allerdings nicht aufgeklärt, wozu sie aber verpflichtet gewesen wäre (bei „kosmetischen Eingriffen“ bestehen noch strengere Aufklärungspflichten als bei medizinisch notwendigen Behandlungen). Sie gab vor Gericht zwar an, dass sie die Patientin sehr wohl mündlich über diese Möglichkeit aufgeklärt hätte, was das Gericht aber letztlich deshalb nicht glaubte, weil über derartige Aufklärungsgespräche keinerlei Dokumentation bestand und weil die Ärztin verpflichtet gewesen wäre, auch die Aufklärung der Patientin nachvollziehbar zu dokumentieren.

Der Ärztin stand in dieser Situation daher nur noch ein einziges Argument zur Verfügung, nämlich jenes, dass die Patientin mit der Behandlung auch dann einverstanden gewesen wäre, wenn sie zuvor von der Ärztin über die Möglichkeit derartiger Knötchenbildungen informiert worden wäre und dass es zum selben Schadenseintritt daher auch im Falle entsprechender Aufklärung gekommen wäre. Die Patientin konnte das Gericht aber davon überzeugen, dass sie sich dem Eingriff nicht unterzogen hätte, wäre ihr bekannt gewesen, dass es zu derartigen Komplikationen kommen kann, die dann auch noch mehrfache operative Eingriffe erfordern.

Da sich die Ärztin bzw. deren Haftpflichtversicherer geweigert hatten, die Ansprüche der Patientin auf außergerichtlichem Wege zu erfüllen, wurden die Schadenersatzansprüche der Patientin letztlich über den Weg eines Gerichtsverfahrens erfolgreich durchgesetzt.

Über den Anwalt

Herr Mag. Klaus Zotter ist D.A.S. Partneranwalt. In unserem Steckbrief erfahren Sie mehr über die Schwerpunkte und erhalten weitere Informationen über die Kanzlei Reif & Partner Rechtsanwälte.

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