D.A.S. Partneranwalt Dr. Nikodem zum Thema „Mietzinsminderung aufgrund des Coronavirus“
Der „Coronavirus“ (COVID-19) stellt insbesondere Mieter von Geschäftslokalen vor schwerwiegende Probleme. Auf der einen Seite bricht der Umsatz (bei Beachtung des Betretungsverbots sogar gänzlich) ein, auf der anderen Seite fallen laufende Fixkosten an – insbesondere Miete. Im „Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch“ (ABGB) kann unter Umständen eine Lösung bzw. Erleichterung im Zusammenhang mit der Miete gefunden werden.
Was besagt das Gesetz?
§ 1104 ABGB normiert im Wesentlichen einen Erlass des Mietzinses bei zufälliger Unbrauchbarkeit des Bestandsobjekts. Sofern für den Bestandnehmer ein beschränkter Gebrauch erhalten bleibt, sieht § 1105 ABGB einen Mietzinsminderungsanspruch vor. Die Bestimmung des § 1104 ABGB enthält eine demonstrative (also eine nicht abschließende) Aufzählung, welche Umstände als „außergewöhnlicher Zufall“ in diesem Sinne gelten. Hiervon umfasst sind unter anderem Feuer, Krieg, Seuchen, große Überschwemmungen oder Wetterschläge.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter einer „Seuche“ eine zeitlich und örtlich gehäuft auftretende Erkrankung zahlreicher Lebewesen an einer bedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheit zu verstehen. Das Coronavirus, welches von der WHO mittlerweile sogar als Pandemie eingestuft wurde, stellt eine bedrohliche und hochansteckende Infektionskrankheit dar und ist daher wohl als Seuche iSd § 1104 ABGB zu qualifizieren. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine durch das Coronavirus bedingte Unbrauchbarkeit eines Mietgegenstandes zu einem Mietzinserlass oder einem Mietzinsminderungsanspruch führt.
Was ist bei Unbrauchbarkeit des Mietgegenstandes zu beachten?
Was unter der Unbrauchbarkeit des Mietgegenstandes konkret zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher ausgeführt. In der Judikatur finden sich jedoch Anhaltspunkte, dass die absolute Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 1104 ABGB ist, lediglich der bedungene Gebrauch (also der vereinbarte Gebrauch) muss vereitelt sein. Eine abschließende Beurteilung, ob der vereinbarte Gebrauch eines Mietgegenstandes aufgrund des Coronavirus beeinträchtigt oder sogar vereitelt wird, ist allgemein betrachtet sehr schwierig. Es kommt jedenfalls auf den konkreten Einzelfall an.
Also insbesondere:
- Um welche Betriebsstätte handelt es sich?
- Ist sie (allenfalls zur Gänze) vom Betretungsverbot betroffen?
- Wirkt sich das Coronavirus auch ohne Betretungsverbot aus?
Darüber hinaus gibt es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer identen Situation.
Gerade in Bezug auf Geschäftslokale, welche aufgrund der zuletzt in Kraft getretenen behördlichen Einschränkungen durch das COVID-19 Gesetz und die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht mehr bzw. nur noch sehr eingeschränkt genützt werden können, ist derzeit davon auszugehen, dass das Coronavirus und die damit verbundenen behördlichen Einschränkungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen „außerordentlichen Zufall“ iSd § 1104 ABGB darstellen. Es ist daher derzeit anzunehmen, dass betroffenen Bestandnehmern eine Mietzinsminderung (bei beschränkter Brauchbarkeit) bzw. ein Mietzinserlass (bei vollständiger Unbrauchbarkeit) zusteht.
Wann ist ein vertraglicher Ausschluss der Anwendbarkeit möglich?
Die Bestimmung des § 1104 ABGB ist dispositiv. Sie kann daher durch abweichende vertragliche Regelungen abbedungen werden. Man kann also vereinbaren, dass sie nicht gilt.
Voraussetzung für den Ausschluss der Anwendbarkeit des § 1104 ABGB ist nach ständiger Rechtsprechung des OGH allerdings eine ausdrückliche Übernahme der Haftung des Mieters für den Untergang der Bestandsache. Legt man diese Rechtsprechung auf die Unbrauchbarkeit eines Mietgegenstandes aufgrund einer Seuche um, hätte dies zur Folge, dass § 1104 ABGB in einem solchen Fall nur dann nicht anzuwenden wäre, wenn der Mieter auch die Haftung für die zufällige Unbrauchbarkeit des Mietgegenstandes ausdrücklich übernommen hat. Um etwaige aus den §§ 1104, 1105 ABGB resultierende Mietzinserlass- bzw. Mietzinsminderungsansprüche überprüfen zu können, muss daher zunächst der jeweilige Bestandsvertrag geprüft werden.
Die Prüfung Ihres Vertrages ist aber nicht nur notwendig, um die Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmung zu prüfen. Aus dem Vertrag kann sich auch eine Vereinbarung ergeben, die sich positiv für Sie als Mieter auswirkt.
Was gilt für die Pacht?
Was oben ausgeführt wurde, gilt leider für die Pacht nicht in dem Ausmaß wie für die Miete; aber in etwas abgewandelter Form.
Ein Erlass des Pachtzinses kommt nämlich nur dann in Frage, wenn der Pachtgegenstand nur auf ein Jahr gepachtet wurde und der Ertrag um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen ist.
Das heißt aber nicht, dass die Minderung des Pachtzinses ausgeschlossen ist, wenn die im Gesetz genannte Dauer auf Sie nicht zutrifft. Es sind die faktischen Gegebenheiten, insbesondere der Pachtvertrag zu prüfen.
Zusammenfassung
Je nach Ihrer konkreten Situation kann Ihre Miete oder Pacht bis auf Null herabgesetzt werden. Das ergibt sich aus den oben erwähnten gesetzlichen Bestimmungen, kann sich aber auch aus Ihrem Vertrag ergeben. Dadurch, dass es für die aktuelle Situation keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt und ständig neue Rechtsvorschriften erlassen werden, sind die tatsächlich zustehenden Rechte strittig und können sich ständig ändern.
Über den Anwalt
Herr Dr. Nikodem ist D.A.S. Partneranwalt. In unserem Steckbrief erfahren Sie mehr über die Schwerpunkte und erhalten weitere Informationen über die Kanzlei.